Digitalisierung des Erfurter Fernwärmenetzes mittels SAM DISTRICT ENERGY
Projekt mit der SWE Energie GmbH
Die Herausforderung
Mit dem Inkrafttreten des Wärmeplanungsgesetzes des Bundes zum 01.01.2024 gilt für Erfurt als Kommune mit mehr als 100.000 Einwohnern, dass bis 30.06.2026 eine kommunale Wärmeplanung abgeschlossen sein muss. Gemeinsam mit der Landeshauptstadt Erfurt wird diese Wärmeplanung zielgerichtet in Fachgremien mit hoher Priorität vorangetrieben.
Das Erfurter Fernwärmenetz hat aktuell eine Gesamtlänge von ca. 200 km und wird mit unterschiedlichen Temperaturen und Druckstufen betrieben. So werden über bestehende Wärmeversorgungsverträge die Kunden an derzeit über insgesamt rund 1.700 Fernwärmehausanschlussstationen mit nachgelagerten rund 50.000 Wohneinheiten und ca. 90.000 dort lebenden Personen mit Fernwärme beliefert. Der aktuelle Marktanteil der Fernwärme liegt bei knapp über 40 %, es werden jährlich rund 600 Gigawattstunden Wärmearbeit als Endenergie an die Kunden abgesetzt.
Im Rahmen der Energiewende nimmt für die Erfurter Stadtwerke insbesondere die Wärmewende eine Schlüsselrolle ein. Nach aktueller Einschätzung besteht das Ziel, bis zum Jahr 2045 den Wärmeabsatz in Form von Endenergie auf rund eine Terrawattstunde zu erhöhen, das Leitungsnetz nahezu zu verdoppeln und dabei die Anzahl der Hausanschlüsse von 1.700 auf knapp 7.400 auszubauen.
Das Projekt
Ziel ist es, das Fernwärmenetz von Erfurt zu digitalisieren. Damit ist die Digitalisierungsstufe 4 der Hausanschlussstation (iHAST) gemeint. Das bedeutet nicht nur das Fernauslesen von physikalischen Messwerten, sondern auch der aktive Eingriff sowie die Optimierung der Anlage.
Für diese Aufgaben wurde unsere Cloud-Lösung SAM DISTRICT ENERGY eingesetzt. Die Umsetzung der Kommunikationsinfrastruktur nahm nur ca. 30 Monate in Anspruch. So wurden ca. 2.400 Wärmemengenzähler sowie knapp 350 Regler integriert.
Die Vorteile einer iHAST zeigen sich bereits kurz nach dem aktiven Nutzungsbeginn.
Im Ergebnis des Projektes und nach nunmehr über einjähriger Betriebserfahrung lassen sich folgende positive Effekte und folgender Nutzen hervorheben:
- Nahezu 100 % Digitalisierung im Prozess meter to cash (von anlassbezogener Zählerablesung bis zur Rechnungslegung)
- Die Transparenzvorgaben aus der FFVAV zur mindestens monatlichen Bereitstellung von Verbrauchsdaten sind durch Anbindung an das Kundenportal erfüllt.
- Sollwertänderungen aus der Ferne an den Reglern sind für Raumheizung und Warmwasser inkl. Betriebsarteingriff Auto/Tag/Nacht/Standby möglich.
- Es besteht die Option zur Änderung von Zeitprogrammen der Heizzeiten.
- Mit Pufferspeichern ausgerüstete Hausanschlussstationen (iHAST) werden als dezentrale Kurzfristwärmespeicher genutzt.
- Es besteht aus der Ferne die Eingriffsmöglichkeit zur thermischen Desinfektion (Thema Legionellen/Änderung Desinfektionstemperatur/Wochentag/Schaltzeiten).
- Es besteht die Möglichkeit des „sensor sharing“ bezüglich der Außentemperatur (relativ und Fremdwertbezug im Fehlerfall).
- Die Fernbedienung der Anlage z. B. Bedienmöglichkeit Ventile/Umwälzpumpen inkl. Rückmeldung ist durchführbar.
- Die Störungseingrenzung im Fehlerfall erfolgt bereits bevor der Mitarbeiter vor Ort ist. Es kann eingeschätzt werden, ob die Störungsbeseitigung quasi mit oder ohne Werkzeugkoffer erfolgen kann.
- Der Beschaffungsprozess für Primärenergie wird durch die Transparenz und Kenntnis über das Kundenlastverhalten deutlich optimiert.
- Die Einrichtung von Alarmen und Grenzwerten (Temperaturen und Binärsignale) zur Fehlerüberwachung ist erfolgt.
- Es erfolgt das systematische Aufdecken von Kundenanlagen, die ineffizient laufen und nach Abstellung der Probleme mit folgender Wirkung: 	- Absenkung Rücklauftemperaturen
- Rückgang Umwälzmengen Heizwasser
- Reduzierung elektrische Arbeit Umwälzpumpen
- Reduzierung Wärmeverlustarbeit im Rücklauf
- Optimierung des GuD-Kraftwerksprozesses durch Erhöhung der elektrischen Arbeit an Dampfturbinen durch Absenkung der Kondensationsparameter
 
Nach der Etablierung der Digitalisierungsstufe 4 besteht nun weiteres Optimierungs-potential hin zur Digitalisierungsstufe 6. Diese ist gekennzeichnet durch die aktive Einbindung weiterer erneuerbarer Erzeugeranlagen und die Automatisierung des Gesamtsystems auch mit Hilfe von KI-Technologien.
Fazit
Bei Großprojekten sollte immer mit unvorhergesehenen Stolperstellen gerechnet werden. Solche neuen Herausforderungen kann man nur gemeinsam mit einem starken Partner bewältigen. Dies gilt für Auftraggeber wie auch Auftragnehmer.
Die Reduzierung der Arbeitsschritte sowie die Harmonisierung und Digitalisierung der Schnittstellen des Teilprozesses der Zählwertermittlung im Abrechnungsprozess hat zu einer deutlichen Arbeits-, Zeit- und auch monetären Ersparnis entlang des Abrech-nungsprozesses geführt. Messwerte sind quasi sowohl zu den jeweiligen festgelegten Abrechnungszeitpunkten als auch on demand in der Granularität einer Viertelstunde verfügbar.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass ohne den Schritt zur Digitalisierung die genannten Effekte nicht möglich gewesen wären – dies insbesondere im Kontext für die Erreichung der ambitionierten Ziele der Wärmewende. Der gesamte Wärmeerzeugungs- und Wärmeübertragungsprozess wird dynamischer und flexibler und ist bereit für die Wärmeeinkopplung von volatilen EE-Erzeugern und die Wärmeauskopplung in Speichertechnologien. Und zu guter Letzt wird die Transparenz für den Kunden deutlich erhöht, denn die SWE Energie GmbH ist davon überzeugt, dass die Akzeptanz und der Erfolg der Energiewende in den Köpfen und Wohnzimmern der Kunden maßgeblich beeinflusst und auch entschieden wird.
Über SWE Energie GmbH
Die SWE Energie GmbH ist ein zentraler Akteur der Energieversorgung in Erfurt und Teil der Stadtwerke Erfurt Gruppe. Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 steht sie für zuverlässige, nachhaltige und zukunftsorientierte Energielösungen. Mit einem breiten Portfolio aus Strom, Gas und Fernwärme versorgt sie über 100.000 Kundinnen und Kunden in der Region und trägt aktiv zur Energiewende bei – unter anderem durch moderne Kraftwerkstechnologien und innovative Mobilitätslösungen. Als kommunales Unternehmen verbindet die SWE Energie wirtschaftliche Effizienz mit gesellschaftlicher Verantwortung und gestaltet die Energiezukunft Thüringens maßgeblich mit.

